Facetten der Geschichte von Gaißau

Blick auf GaißauBlick auf Gaißau (links) und das Rheintal um 1850 Gaißaus Ortsgeschichte ist nicht vergleichbar mit den stolzen Historien mittelalterlicher Reichs- oder Residenzstädte. Auch sind in Gaißau keine spektakulären historischen Ereignisse zu verzeichnen, weder berühmte Schlachten noch Friedensverträge. Die Geschichte Gaißaus ist die einer ländlichen Siedlung, die im Laufe der Geschichte - gelegen an einem der bedeutendsten mitteleuropäischen Ströme, dem Rhein - in territorialstaatlicher Hinsicht in eine Randlage geriet und so zum Grenzdorf wurde. Entsprechend ist die Geschichte der Menschen in Gaißau Jahrhunderte hindurch geprägt von den Mühen ländlicher Lebensweise, vom Segen und Fluch des bis im Jahr 1900 unregulierten Alpenrheines und von der territorialen Grenzlage.


Das ehemalige Gasthaus "Schiffle"Das ehemalige Gasthaus "Schiffle" (um 1940) im Bereich des früheren Weilers "Wettler" Die Gaißauer Gegend taucht erstmals im Jahr 980 n. Chr. in einer Urkunde Kaiser Ottos mit der Erwähnung des "Hofes Höchst" bzw. der "Höchster Mark" auf. Die "Höchster Mark", deren Teil Gaißau damals gewesen ist, war ein großer Hof- bzw. Dorfbezirk, der sich von Fußach im Osten bis Walzenhausen und Altenrhein im Westen erstreckte. Der Rhein war zu dieser Zeit noch nicht Grenze, sondern Lebensader inmitten des damaligen Herzogtums Schwaben (Alemannien), das seinerseits Teil des damaligen deutschen Königreiches war. So strahlend die mittelalterliche Geschichte unserer damals territorial noch einheitlichen weiteren Heimatregion mit den seinerzeitigen Kultur- und Machtzentren Chur, St.Gallen, Konstanz, Reichenau und Hohentwiel war, so sehr liegt die Geschichte Gaißaus in dieser Zeit, außer der oben genannten Erwähnung, im Dunkeln. Genauere Bezeichnungen und Beschreibungen über "Gaysowe" beginnen erst im 14. Jahrhundert. Damals kam die Au zwischen Rheineck, St.Margrethen und Höchst mit der Grafschaft Feldkirch im Jahr 1375 unter die formelle Landesherrschaft des Hauses Habsburg. 


Historisch-geographische Forschungen haben ergeben, dass Gaißau im Mittelalter ein beiderseits des Rheines gelegener "Doppelhof" war. Erb- und Kaufurkunden bestätigen das Vorhandensein dieses Doppelhofes, zu dem damals sowohl Weingärten in südlicher Hanglage (linksrheinisch) als auch noch heute zu Gaißau gehörende Fluren im Rheintal (rechtsrheinisch) gehört haben. Man geht davon aus, dass der ursprüngliche Teil Gaißaus linksrheinisch lag, wo der Name allerdings nicht bewahrt worden ist. Teil des rechtsrheinischen Gaißaus war in früher Zeit auch eine Siedlung namens "Wettler", die in der Gegend des Gasthauses "Schiffle" gelegen hat und sich bis zum Rheinholz ausgedehnt haben soll. Die Siedlung "Wettler" verschwand jedoch im Laufe der Zeit. Der rechtsrheinische Teil des Doppelhofes Gaißau entwickelte sich hingegen im Laufe von etwa sechs Jahrhunderten zu dem Dorf Gaißau, das wir heute kennen.

So kompliziert die Siedlungsgeschichte auf den ersten Blick wirkt, so verworren erscheinen auch die landes- und grundherrschaftlichen Verhältnisse im alten Gaißau. Die Gaißauer waren vom späten Mittelalter bis 1798 zwei Herrschaften untertan: dem Hause Habsburg, aus dessen Erbländern später das Land Österreich wurde, und dem Stift St.Gallen. Landesherrschaftlich waren die Habsburger in Gaißau, wie schon erwähnt, seit 1375 präsent. Die erwähnte Siedlung "Wettler" und das Rheinholz gehörten jedoch ursprünglich zur Grafschaft Rorschach und zum dortigen Gericht, und der Hof Gaißau gehörte ursprünglich den Herren von Rheineck. Im Laufe der Zeit kamen die meisten Anwesen des Dorfes dann in das Eigentum und unter die Lehnsherrschaft des Stiftes St.Gallen. Auch nach dem Frieden von Basel im Jahr 1499, als die Schweizerische Eidgenossenschaft faktisch aus dem "Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation" ausgeschieden war und am Rhein allmählich eine Staatsgrenze entstand, behielt der Klosterstaat St.Gallen bis zu dessen Auflösung 1798 viele seiner Herrschafts- und Eigentumsrechte in Gaißau. Konkret geregelt wurde diese staatsrechtliche Doppelstellung Gaißaus im Jahre 1584 durch einen Vertrag zwischen Erzherzog Ferdinand von Österreich und dem Abt von St.Gallen. Bei Streitigkeiten waren so, je nach Fall, für Gaißau die Gerichte in Feldkirch oder in St.Gallen zuständig. Ein wenig ironisch hieß es, diese gemischten Landes- und Grundherrschaftsverhältnisse auf den Punkt bringend, in alter Zeit in einer Urkunde, die "Gaißawer gehörent zue Höchst in die Pfarrkirchen, zue Bregentz in Krieg, zu Rorschach ins Gricht, zue Gaißaw in Kirchhoff, zue Veldtkirch an Galgen."

Bereits kurz nach 1500 ist aus Urkunden jedoch auch eine gewisse Eigenständigkeit der Gaißauer ersichtlich. Im Jahr 1755 bestätigte der Abt von St.Gallen die Gemeindeordnung von Gaißau aus dem Jahr 1680, Gemeindebeschlüsse mussten von diesem jedoch genehmigt werden.

Bilder aus Alt-Gaißau

KesslerplatzKesslerplatz HauptstrasseHauptstraße Hauptstraße mit KircheHauptstraße mit Kirche
 
PfarrhofPfarrhof


Das Kircheninnere um 1900Das Kircheninnere um 1900 

Nach Aufhebung des Klosters St.Gallen im Jahr 1798 kam Gaißau dann ungeteilt unter die Herrschaft der Habsburger und damit zu Österreich, von 1805 bis 1814 gehörte es mit ganz Vorarlberg zu Bayern, um anschließend, nach der Zeit Napoleons, wieder zu Österreich zurückzukommen. Trotz der seit 1814 eindeutigen Zugehörigkeit Gaißaus zu Österreich war und ist Gaißau eng mit den Nachbarn jenseits des Rheines verbunden. Für Verdienst und Einkauf kam lange Zeit fast nur Rheineck in Betracht. Auch ostschweizerische Gebräuche und Dialektmerkmale, insbesondere aus Rheineck, waren naturgemäß in Gaißau durch den engen Kontakt noch lange präsent.


die alte Holzbrücke Gaißau-Rheineck (1873-1909)die alte Holzbrücke Gaißau-Rheineck (1873-1909) Kirchlich war Gaißau lange Zeit Teil der Pfarre St.Johann in Höchst, die ihrerseits bis 1806 zum Dekanat Rorschach gehörte. Von einer Kapelle in Gaißau wird erstmals 1621 berichtet. Allerdings durften dort keine Taufen und Eheschließungen vorgenommen werden. Erst 1640 durfte in Gaißau ein Kirchhof angelegt werden, um die Toten im eigenen Dorf begraben zu können. Die endgültige Lösung von der Pfarre Höchst erfolgte im Jahr 1807, 1811 wurde Gaißau erstmals als eigene Pfarrei von den bayrischen Behörden ausgeschrieben. 1870/73 wurde schließlich die heutige Pfarrkirche St.Othmar errichtet.


Als Teil Österreichs machte Gaißau im 19. und frühen 20. Jahrhundert die Höhen und Tiefen der Österreichisch-Ungarischen Monarchie mit. Als Landgemeinde an der Peripherie des Vielvölkerreiches nahm das Dorf in bescheidenem Maße Anteil am Fortschritt der Zeit. Bedeutsam ist die Entwicklung Gaißaus zum österreichischen Zollort, seitdem dort 1836 ein Hilfszollamt eingerichtet wurde. 1873 wurde zwischen Rheineck und Gaißau die erste Brücke errichtet, es handelte sich um eine gedeckte Holzbrücke, nachdem dort jahrhundertelang Fähren die Verbindung über den jungen Strom sicherstellten. 1909 wurde diese Holzbrücke durch eine Betonbrücke ersetzt. 1885 bekam Gaißau nach Jahrzehnten der Provisorien ein eigenes Schulhaus (heute Gemeindeamt/Kindergarten). Ebenfalls bedeutsam war die Gründung des Klosters der Franziskaner-Missionsschwestern im Jahre 1904.

Im Jahre 1900 wurde der Rhein in ein neues Bett geleitet und mündet seitdem bei Fußach in den Bodensee. Für Gaißau hat die Hochwassergefahr, eine jahrhundertealte Bedrohung, damit erheblich abgenommen.


Französischer Panzer in GaißauFranzösischer Panzer in Gaißau Der Erste Weltkrieg (1914-18), insbesondere dessen negativer Ausgang für die verbündeten Mittelmächte Österreich-Ungarn und Deutsches Reich, brachte auch Gaißau nach anfänglicher Begeisterung Not und Tod. 21 Gaißauer fielen im Krieg. Die Auflösung Österreich-Ungarns und die mit dem verlorenen Krieg verbundene Not, aber sicher auch die Stammesverwandtschaft der alemannischen Vorarlberger mit den alemannischen Schweizern, rief in Vorarlberg eine Anschlussbewegung an die Schweiz ins Leben, der auch in Gaißau 92% der Abstimmenden 1919 in einer Volksabstimmung ihre Zustimmung gaben. Aus dem Anschluss Vorarlbergs an die Schweiz wurde jedoch nichts, und so teilte Gaißau mit Vorarlberg weiter die Geschicke der neuen Republik Österreich, die 1934 zum „Ständestaat“ wurde und 1938 mit dem Anschluss an das nationalsozialistische Deutsche Reich ihre Selbständigkeit einbüßte. Im Oktober 1938 wurden die Vorarlberger Rheindeltagemeinden Höchst, Fußach und Gaißau zur Gemeinde Rheinau zusammengeschlossen.

Der Zweite Weltkrieg (1939-45) forderte aus Gaißau 30 Gefallene. Von Kampfhandlungen und entsprechenden Zivilverlusten und Zerstörungen blieb die Gemeinde Rheinau und damit auch Gaißau jedoch glücklicherweise verschont.

Mit ganz Vorarlberg gehörte Gaißau nach der deutschen Niederlage im Zweiten Weltkrieg ab Mai 1945 bis 1955 zur französischen Besatzungszone im wiederhergestellten Österreich. Damals hätte wohl - eingedenk der Erfahrungen und Ereignisse nach dem Ersten Weltkrieg - kaum jemand gedacht, dass der Neubeginn im Jahr 1945 zugleich der Beginn eines bislang nicht dagewesenen wirtschaftlichen Aufschwungs, eingebettet in politische und gesellschaftliche Stabilität, werden würde. Es kam glücklicherweise jedoch so, und Gaißau, die kleine ländliche Grenzgemeinde am Alten Rhein, hatte ihren Anteil an dieser Entwicklung.

Am 31.12.1946 trat die Vereinigung von Gaißau, Höchst und Fußach zur Gemeinde Gaißau nach einem Beschluss der Vorarlberger Landesregierung und Volksabstimmungen in den betroffenen Orten außer Kraft. In Gaißau stimmten 219 Personen für und 8 Personen gegen die Wiederherstellung der Selbständigkeit.

Im Laufe der Zeit seit 1945 wandelte sich Gaißau allmählich von dem eher beschaulichen ländlichen, in Jahrhunderten gewachsenen Dorf zu einer modernen Gemeinde mit gemischter Wirtschaftsstruktur (Industrie, Gewerbe, Landwirtschaft usw.). Die Einwohnerzahl stieg von 504 im Jahre 1950 auf ca. 1600 im Jahre 2005. Trotz dieses Bevölkerungsanstiegs und trotz den damit verbundenen Modernisierungen und Siedlungserweiterungen konnte der ländliche Charakter Gaißaus bis heute bewahrt werden.